"Ja, ich bin ein Kistenfan!"

Ein Interview mit dem Christian Tschepp
von Susann Pàsztor


Sie sind quadratisch. Praktisch. Und heiß begehrt von allen, die nicht von, sondern mit all ihren Sinnen lernen und üben wollen. Sie heißen "Milton!" und "KonfliktKiste", und was die Fachkompetenz der jeweiligen Autoren verspricht, wird von der Lach- und Sachkompetenz des Illustrators gehalten: Christian Tschepp - "der Christian Tschepp", wie es auf Buchrücken und Klappentexten heißt. Er ist Vater, Trainer, Rockmusiker, Schreiber und Illustrator. In dieser Reihenfolge oder andersherum oder, wenn's gefragt ist, auch völlig neu gemischt.

Fast schon verdächtig, so ein Multitalent. Oder eher ein MultiMind? Denn auch hier hat er inzwischen seine Spuren hinterlassen, als er das neue, farbenfrohe Layout konzipierte. So jemanden zu interviewen heißt, sich zunächst mal gut vorzubereiten. Und bei den Antworten möglichst auf alles gefasst zu sein.

Susann Pàsztor: Milton! ist grün, hat vier Antennen auf dem Kopf und erinnert vage an ein Gummibärchen auf LSD. Wann und wie ist Ihnen der erschienen?

Christian Tschepp: Ganz genau weiß ich das nicht mehr. Ich war gerade auf einem LSD-Trip, da kam H. Ribo mit vier Antennen auf dem Kopf rein, und wollte mir mein Zeug klauen. Gott sei dank erschien Milton! genau in diesem Moment ... Nein, im Ernst: Ich weiß es nicht mehr. Und ich nehme natürlich auch kein LSD. Das ist was für haltlose Anachronisten ...

Ihre typischen Figuren mit Knubbelnase und Henkelohren sind uns spätestens seit dem Buch "Das macht Sinn!" vertraut. Gab's die schon vorher?

Wenn wir von Asterix, Fix und Foxi, Lupo Alberto, Gaston, den Underground-Comics und den Schlümpfen, von Marsupilami, Pumuckl, den Cartoons der Tageszeitungen und der Regenbogenpresse, Diddl und Snoopy, Pauli, dem Maulwurf, den Sturmtruppen und neunzig Prozent aller Disney-Figuren absehen: Nein. Gab's vorher nicht.

Tatsächlich waren die Illustrationen eine Verzweiflungstat. Ich war damals in der Werbung und sollte für einen Kunden eine Figur entwerfen, die als Sympathieträger den gesamten Außenauftritt begleitet. Im Allgemeinen gehören solche Aufträge zu den Sternstunden eines Illustrators: Figur entwerfen, Rechte verkaufen, schönes Leben machen. Im Besonderen trieb mich dieser Auftrag an den Rand des Wahnsinns, weil der Kunde einfach nicht zufrieden war mit den Entwürfen. Ich begann an meinem Talent zu zweifeln, und mein Hirn fing an, abzuwägen, ob eine Karriere als Schlosser der eines Finanzbediensteten vorzuziehen wäre. Handwerk hat schließlich goldenen Boden. Irgendwann, zwischen Frust und Verzweiflung, sind sie dann entstanden. Knubbelnase, Henkelohren. Und ich wusste: Das ist es! Mein Kunde wusste es auch. Die "Ur-Figur", sie hieß Max, hab' ich noch.

"Milton!" und "KonfliktKiste" sind keine Bücher, und "Das macht Sinn!" ist auch eher eine Wundertüte - sind Sie ein Kistenfan? Und warum?

Von Albert Einstein wird der Satz kolportiert: "Ich sehe nicht ein, etwas zu lernen, was mir keinen Spaß macht." Ich bin auch ein "Ich-will-Spaß-am-Lernen-haben-dann-lerne-ich-gern-Fan", durch und durch.

Das begab sich so: Eines Tages stand Susanne Schinagl, meine Mit-Autorin von "Das macht Sinn!", mit ein paar Zetteln vor mir und bat mich, sie zu lesen - es sei das Skript für ein Buch, das sie geschrieben hatte, und es sollte an die Schulen. Aber vorher - und das sei der Grund ihrer Bitte - müßte es, um vor dem Gremium des Landesschulrates zu bestehen, von einem Didaktiker geprüft und gegebenenfalls marginal korrigiert werden. Was soll ich Ihnen sagen - es gibt Situationen im Leben, in denen ein schlichtes "Ja" dramatische und nachhaltige Veränderungen nach sich zieht ... Zweieinhalb Jahre später ist "Das macht Sinn!" dann erschienen.

Die Faszination dabei war für mich die Frage: Was kann ein Buch können? Wie kann ich diese Magie, die im Seminar dafür sorgt, daß die Teilnehmer dabei sind, sich den Stoff merken und integrieren, zwischen zwei Buchdeckel bringen? Wie kann ein Buch Gefühle wecken? Jene Gefühle, die mich leicht und gern lernen lassen - Spaß, Faszination, Spannung ...? Damals schon dachten wir an ein Set mit Materialien (Spiele, Experimente, ein Sinnes-Memory, der Hampelfant ...), die spielerisch loops zu den Texten bilden und für Integration des Gelernten sorgen sollten.

Nun war "Das macht Sinn!" ja ein Buch für Kinder ...

Genau: Würde das auch für erwachsene Leser funktionieren? "Milton!" war das erste große Experimentierfeld für mich: ein komplexes Thema (Hypnotische Sprachmuster), vorgestellt von einer Comic-Figur, eben Milton!. Ein Handbuch, das den Stoff in mannigfacher Weise darstellt und wiederholt, mit Spiel- und Übungsmöglichkeiten durch beigelegte Trainings- und Blankokarten. Außerdem sollte das Set gleichermaßen als Trainingstool für Referenten und zum Selberlernen einsetzbar sein. Und eine Bereicherung für Einsteiger und für Profis sein. Die Quadratur des Kreises eben. Aber ich hatte völlige didaktische und gestalterische Freiheit, und Autoren wie Verlag standen hinter dem Experiment. Es gelang. Ganz offenbar lernen auch wir Erwachsenen lieber und besser mit einem Lächeln auf den Lippen. Und ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, gelingt nicht nur im Seminar, sondern auch über Printmedien. Es hat wirklich Spaß gemacht. Ja, ich bin ein Kistenfan.

Selbst die MultiMind-Leser, die keines der drei Werke von Ihnen kennen, halten gerade ein weiteres Tschepp-Design in den Händen - das neue MM-Layout. Schrecken Sie eigentlich vor gar nichts zurück?

Immer seltener und immer weniger. Ein gutes Gefühl.

Kommen wir zu einem weiteren Aspekt - Ihr Trainerdasein. Wen oder was trainieren Sie - und worin?

Ich habe 10 Jahre lang Trainerausbildungen begleitet, hatte Lehraufträge an Universitäten und Fachhochschulen und wurde, in den letzten Jahren verstärkt, zur Krisenintervention in Unternehmen gerufen. Meine Steckenpferde waren aber immer "Präsentation und freie Rede" und "Selbstmanagement" im weiteren Sinn.

Eine Sache wurde für mich in den Präsentationsseminaren immer deutlicher und wichtiger: Die Art, in der wir anderen begegnen, ob im Gespräch oder exponiert auf einer Bühne, ist nur die folgerichtige Re-Aktion auf die Art, in der ich mir selber begegne. Wollte ich also wirklich etwas für meine Teilnehmer tun, dann sollte ich diesem Erfahrungsfeld gleichermaßen Raum geben. Nicht nur Werkzeuge und Strategien im Sinne von "so geht eine gute Rede/ Präsentation" verteilen, sondern verstärkt selbstreflexive Übungen einbauen, um den individuellen Ausdruck jedes einzelnen zu fördern und zu ermutigen, dieser Einzigartigkeit Kontur zu geben. Das hat auch viel schneller als gewohnt dazu beigetragen, Blockaden und Ängste abzubauen, denn Individualitsät und Subjektivität kennen kein "richtig" und "falsch". Und mir gab diese Herangehensweise die Freiheit, mit Elementen des Schauspiels, vor allem des Improvisationstheaters, zu arbeiten. Bis heute kenne ich kaum eine Form, die schneller und deutlicher typische Persönlichkeitsmerkmale zeigt.

In letzter Zeit hört man Ihren Namen immer wieder im Zusammenhang mit "Schweinehund-Tours". Sind Sie neuerdings auch noch unter die Reiseveranstalter gegangen?

Diese Idee ist gar nicht so neu, sie begleitet mich seit mittlerweile acht Jahren und begann mit den Worten: "Hört sich selber gerne reden." Hat man mir gesagt. Vielmehr geschrieben. Anonym natürlich. Sie wissen schon, diese Feedbackbögen, die nach Seminaren verteilt werden. Schreibt so ein Widerling: "Hört sich selber gerne reden." Das war die Geburtsstunde von "Schweinehund-Tours". Als mein Trotz sich nämlich beruhigt hatte, konnte ich dem Widerling (in Abwesenheit) recht geben, ihm danken und beginnen, Vorträge auszuarbeiten. Dazu habe ich die Leitthemen meiner Seminare genommen und sie zu kompakten, in sich geschlossene Einheiten zusammengefügt.

In den Seminaren haben mich vor allem die Aspekte von Integration und Nachhaltigkeit beschäftigt. Mir war klar, dass Wochenendseminare intensiv und erfahrungsreich, aber letztlich punktuelle Interventionen waren, deren Halbwertszeit kaum ein paar Wochen (im Idealfall) überdauerte. So kam die Idee zyklischer Arbeit mit acht bis zehn kurzen Teilen anstatt eines Wochenendblocks wie bestellt.

Ich habe schnell gemerkt, dass mir diese Arbeit Riesenspaß machte. Ich konnte mich jeweils einem Thema widmen (z.B. Sprache, nonverbale Sprache, Glaubenssätze usw.) und dieses Thema auf verschiedenste Weise vorstellen, Spiele und Übungen einbauen, Zeit für Fragen und Austausch reservieren. Im Laufe der Zeit hat sich daraus ein "Coachingprogramm für sich selber" entwickelt. Ohne marktschreierisches "Sei ein Sieger!" und ohne Anspruch auf therapeutische Intervention. Eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit sich selber, die richtig Spaß machte und den Teilnehmern etwas brachte: Wieso scheitern Diäten/Rauchen aufhören/sich gesünder ernähren oft auch mit dem eisernsten Willen? Wie gehe ich vor, damit es beim nächsten Mal klappt? Sitzungen und (Streit-)Gespräche scheitern selten an unvereinbaren Standpunkten. Wenn ich weiß, dass ich 80-90% über nonverbale Kanäle mitteile, wird klar, warum. Wie kann ich über meinen Körper meine Befindlichkeit beeinflussen? Was machen diejenigen, denen zugehört, deren Meinung ernst genommen wird, anders als jene, die Mühe haben, sich Gehör zu verschaffen? Viele, viele faszinierende Themen und Möglichkeiten.

Das war für mich doppelt schön: meinem Hobby nachzugehen (und dafür bezahlt werden) und damit etwas weiterzugeben, was mich mit Sinn erfüllt. Was schließlich dazu führte, dass ich heute nur noch ein einziges Seminar halte: Schweinehund-Tours. Eine Herzenssache.

Und der Name?

Der Name hat sich wie von selbst ergeben: Irgendwann, beim Zeichnen, ist er entstanden, der kleine Schweinehund - Canis Porcinus Internus. In den Seminaren habe ich Karten und Lesezeichen mit dem Schweinehund verschenkt, als Anker für "die Zeit danach". Manchmal sprechen mich auch heute noch Leute auf den kleinen Kerl an, oder tragen ihn in der Geldbörse. Er genießt Sympathie und wirkt äußerst nachhaltig. Es lag also nahe, ihm die Ehre zu erweisen.

Außerdem erleichtert der Schweinehund mir die Arbeit, vor allem beim Schreiben: Er darf Dinge auf eine Art sagen, so wie ihm der Schnabel gewachsen ist - direkt, provokant, aber niemals verletzend. Es ist wie beim Spiel mit Handpuppen im Seminar. Die dürfen sich streiten, hauen, lieben, sich trennen, brüllen, sterben und wieder erwachen. Würde ich das als Trainer machen, würde meine Lebenserwartung kaum zwei Seminare überdauern. Und die "Schweinehund-Tours" würden vermutlich nie erscheinen. Was sehr schade wäre. So aber können Sie sich mit mir darauf freuen: "Schweinehund-Tours. Einmal zu sich selbst und retour."

Noch ein Wort zum Rockmusiker - wo und wann kann man den erleben?

Auf der Bühne vorläufig nur im Raum Salzburg - es bleibt halt wenig Zeit. Um aber der drohenden Bühnenabstinenz zu entgehen, habe ich präventivtherapeutische Maßnahmen getroffen: Ab Mitte dieses Jahres gibt's - hier stellen Sie sich bitte Trommelwirbel und Fanfaren vor - Rock Your Schweinehund!

"Rock Your Schweinehund" (im folgenden "RYSH!", auch wenn das wie ein Heavy-Metal-Relikt aus den 80er Jahren klingt) ist ein Training für Präsentation und freie Rede vor 2 bis 2000 Leuten. Für Einsteiger und Profis. Als Seminar und - Kistenfan, der ich bin - als PraxisTrainingsBox. RYSH! gibt mir Gelegenheit, mich auf verschiedenen Ebenen auszutoben. Einerseits besteht die Box aus drei Büchern mit vielen Illustrationen: Ich kann mich als Schreiber, als Zeichner und als Layouter betätigen. Daneben enthält die Box eine Audio-CD mit Musikbeispielen, viele verschiedene Trainingskarten, Block, Lesezeichen - was den Didaktiker fordert. Und schließlich die Vorträge/Workshops und die mehrtägigen Seminare. Hier darf ich Schauspieler sein und Musiker.

Und das kam so: In einem Kaffeehausgespräch (eine österreichische Leidenschaft) mit einem lieben Freund, er ist Berufsmusiker, wurde uns klar, daß unsere Arbeit im Grunde dieselbe war: Die Interpretation von Songs stellt die gleichen Fragen (Wie soll es klingen/ankommen? Kraftvoll? Traurig? Nachdenklich? Überschwänglich?) und arbeitet im Wesentlichen mit den gleichen Werkzeugen wie jede Form von verbaler Darstellung. Präsenz, Ausdruck, der Funke, der überspringt (oder eben nicht) ein Musiker auf der Bühne macht ganz genau das Gleiche wie jemand, der eine Rede hält. Mittlerweile ist Manfred Kirchmeyer Co-Autor von RYSH!. Auch die Vorträge halten wir gemeinsam.

Wie dürfen wir uns so ein RYSH!-Seminar vorstellen?

Ein Tennislehrer hat mir einmal erzählt, dass wenn er seinen Schülern beibringen will, den Schläger richtig zu halten, er keinesfalls über die Stellung der Hand oder über den Schläger spricht. Er animiert sie dazu, mit dem Ball zu kommunizieren, ihn mit einem bestimmten Gefühl zurückzuschlagen. Dabei lernen die Tennisschüler dann automatisch und ohne daran zu denken die richtige Handhaltung.

Im RYSH!-Seminar arbeiten wir genauso: Natürlich kommen die Teilnehmer, weil sie sich in freier Rede, Vortrag oder Präsentation verbessern möchten. Aber das berühren wir erst einmal nur am Rande. Tatsächlich arbeiten wir an der unterschiedlichen Interpretation eines Musikstückes. Das Stück selbst, das Lied ist die Was-Ebene, analog dem Inhalt einer Präsentation oder eines Vortrages. Wie ich es dann ausdrücke, ist meine ureigene, unvergleichliche Art, es vor ein Auditorium zu bringen - analog der Art zu präsentieren, eine Rede zu halten. Und nur dann, wenn ich "echt", also kongruent bin, wird der Funke auf mein Publikum überspringen.

Das ist eine zutiefst individuelle, subjektive Angelegenheit, die sich unserer Lehrbuch-Mentalität von richtig und falsch oder gut und schlecht völlig entzieht (natürlich berücksichtigen wir auch jene nützlichen Dinge, die, ganz pragmatisch, die Arbeit in so exponierter Lage erleichtern). Wir erarbeiten im Workshop, wie ich Interpretation anlegen kann, welche unterschiedlichen Gefühle dadurch bei Zuhörern ausgelöst werden, untersuchen Mimik, Gestik, persönlichen Ausdruck und am Ende gibt's natürlich ein Abschlusskonzert. Der Clou an der Sache ist: Obwohl wir nur selten explizit an Rede oder Vortrag arbeiten, haben die Teilnehmer nach diesen Tagen unendlich viel darüber gelernt. Und sie haben, als Teil einer Band, ein Konzert gespielt.

Wir werden RYSH! als Trainingsbox und als Workshop beim kommenden Junfermann-Kongress im November vorstellen. Die Aufgabe, die wir uns dabei gestellt haben, entspricht dem Arbeits-(Unter-)Titel: "Sie haben 90 Minuten Zeit, eine Rockband zu werden". Ich freu mich schon sehr darauf!


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Dieses Interview
erschien im Juni 2005 in
"MultiMind - Magazin
für professionelle Kommunikation".
Es beschreibt - nach wie vor aktuell - den Zugang zu meiner Arbeit als Autor und als Trainer recht treffend.

P.S.: "MultiMind" erscheint nun unter dem Namen: "Kommunikation & Seminar".